VDFP Nachrichten 2022 - 01

Herausgegeben am Samstag, 9. April 2022

57. Jahrgang
Ausgabe 1-2022

Reguliertes Monopol

Die Bundesnetzagentur überlegt derzeit, unter welchen Rahmenbedingungen zukünftig Mobil-funkfrequenzen vergeben werden könnten. Eine Überlegung skizziert ein Betreibermodell. Ein Betreiber bekommt alle Nutzungsrechte in einem bestimmten Spektrum. Die Vergabe erfolgt in einem bundesweiten Ausschreibungsverfahren. Eine Bedingung für eine erfolgreiche Bewerbung ist, dass der Gewinner auf Nachfrage in der Fläche Kapazitäten an die Wettbewerber – beispielsweise über Roaming – zur Verfügung stellt. Das käme einem regulierten Monopol gleich. Ein Gedanke, der auch in der ver.di sehr lange Zeit in der Phase der Privatisierung der Deutschen Bundespost, also bereits vor über 30 Jahren, heiß diskutiert wurde.

Die Kritik an der vermeintlich schlechten Breitbandversorgung, insbesondere in ländlichen Regionen, reißt nicht ab. Politiker und Wissenschaftler gehen davon aus, dass in schwierigen topografischen und in struktur-schwachen Regionen eine Breitbandversorgung mit Mobilfunk die beste Alternative sei. Schließlich sei Mobilfunk schnell und mit vergleichsweise geringen Baukosten zu installieren. Für den Mobilfunk braucht es Funkwellen, die sogenannten Frequenzen. Um sie nutzen zu können, müssen die Telekom und die anderen Netzbetreiber Nutzungsrechte (Lizenzen) erwerben. Die Lizenzen werden seit dem Jahr 2000 versteigert. Die Versteigerungen kosteten die Netzbetreiber in den letzten Jahren über 50 Milliarden Euro! Diese Erlöse fehlten an vielen Stellen für den Auf- und Ausbau von Breitbandnetzen.

Geld für den Netzausbau

Die Nutzungsrechte für LTE-Frequenzen im 800-, 1800- und 2600-MHz-Bereich  (Megahertz) laufen 2025 aus. Netzbetreiber und auch ver.di appellieren seit Langem, solche Frequenzen nicht wieder zu versteigern, sondern die Nutzungsrechte für Telefónica, Vodafone und Telekom zu verlängern und im Gegenzug dazu strikte Ausbau-verpflichtungen einzufordern. Die Mobilfunkauktionen würden entfallen, die extrem teuren Lizenzkosten in den Netzausbau umgeleitet.

            Nun setzt die Bundesnetzagentur (BNetzA) ein Anliegen des Bundesrates um, der sich im Rahmen der TKG-Novelle (Telekommunikations-gesetz) eine Überprüfung der bisherigen Vergabepraxis für Frequenzlizenzen im Auktions-verfahren wünschte: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung [. . .] die bisherige Praxis zur Vergabe von Frequenzen im Wege der Versteigerung einer grundsätzlichen, ergebnis-offenen Überprüfung zu unterziehen. Begleitet von einer neutralen Expertise sollten dabei alternative Vergabemodelle unter der Maßgabe bewertet werden, eine marktorientierte und wettbewerbs-konforme Lösung zu finden, die zu einer spürbaren Verbesserung der Mobilfunkversorgung führt.“

            Aus der erfolgten Überprüfung destilliert die Bundesnetzagentur Grundsätze für die künftige Bereitstellung der Frequenzen 800 MHz, 1800 MHz und 2600 MHz. Diese Grundsätze müssen gewahrt bleiben, unabhängig davon, wie die Vergabe der Frequenzlizenzen erfolgen wird. Zu den Grundsätzen gehöre auch, dass sich die Netze weiterentwickeln, die Anforderungen an den Bedarfen der Nutzer und der Digitalisierung ausgerichtet werden müssen. Außerdem muss sich die Versorgung in der Fläche verbessern und an den Verkehrswegen müssen unterbrechungsfreie Verbindungen gewährleistet werden.

Das Betreibermodell

Das sogenannte „Betreibermodell“ der BNetzA fokussiert das 800-MHz-Spektrum. Das ist besonders interessant, weil man in dieser Frequenz sehr breitbandig (viele Daten in kurzer Zeit) und sehr weitreichend (in der Fläche) funken kann. Mit 800 MHz kann man also mit wenigen Funkmasten eine große Fläche mit breitbandigem Mobilfunk versorgen.

Das Szenario beschreibt, dass in einer Ausschreibung von vornherein festgelegt wird, dass ein Betreiber zwar bundesweit das gesamte 800-MHz-Spektrum in einem Ausschreibungsverfahren erhält.  Im  Rahmen  des   Ausschreibungsverfahrens

könnten Versorgungsauflagen zu einer flächen-deckenden Grundversorgung auferlegt und Selbstverpflichtungserklärungen berücksichtigt werden. Das beinhaltet eine flächendeckende Versorgungsauflage für eine Grundversorgung von Gebieten, in denen Menschen leben und arbeiten, aber auch auf Verkehrswegen. Zudem müsste ein erfolgreicher Bewerber auf Nachfrage in der Fläche Kapazitäten an die Wettbewerber – beispielsweise über Roaming – zur Verfügung stellen. Das hieße bildlich gesprochen: Ein Netzbetreiber, nennen wir ihn Monotel, erhielte das gesamte 800-MHz-Spektrum. Ein zweiter Anbieter will neue Kunden in entlegenen, unterversorgten Gebieten gewinnen und bittet Monotel um entsprechende Netzkapazitäten. Dann müsste Monotel entsprechende Infrastrukturen errichten, um dem zweiten Anbieter Vorleistungen anbieten zu können.

Vorteile

Als vorteilhaft hebt die Bundesnetzagentur bei diesem Szenario hervor, dass eine flächendeckende Grundversorgung mit hoher Bandbreite zur Verfügung gestellt würde. Es bestünde zudem die Möglichkeit, sowohl für die bestehenden Netz-betreiber als auch für neue Netzbetreiber, Zugang zu der flächendeckenden Netzabdeckung zu erhalten. Mit dem Betreibermodell würde auch vermieden, dass bestimmte Regionen doppelt und dreifach versorgt würden, weil jeder Netzbetreiber seine eigene Infrastruktur errichtet. Das gibt es heutzutage öfter und ist ineffizient, da der Ausbau teuer ist und damit Geld für die Erschließung von unterversorgten Gebieten nicht mehr zur Verfügung steht. Schließlich kommt die BNetzA zu dem Schluss, dass das Betreibermodell eine frequenztechnisch effiziente Lösung wäre und damit gerade Verbraucher in ländlichen Räumen von einer Grundversorgung mit der gesamten Bandbreite profitieren können.

Risiko

Als Risiko beschreibt die BNetzA im Rahmen des Betreibermodells, dass es fraglich sei, ob in diesem Szenario Neueinsteiger, also Unternehmen jenseits von Telefónica, Vodafone und Telekom überhaupt eine Chance hätten, zum Zuge zu kommen, weil die Errichtung eines bundesweiten Netzes mit einem erheblichen Aufwand in zeitlicher und finanzieller Hinsicht verbunden sein dürfte.

Fazit

Das Öffnen des regulatorischen Handbuchs für die Bundesnetzagentur treibt in Bezug auf die Frequenzvergabe in Form von fünf Szenarien erste Blüten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Früchte reifen lassen. Das Ablassen von der obligatorischen Versteigerung von Mobilfunk-frequenzen eröffnet neue Horizonte, die die BNetzA in ihren fünf Szenarien beschreibt. Ein Szenario ist das Betreibermodell. Diese Szenarien könnten Katalysatoren für Debatten über andere, neue Wege in der Netzpolitik anstoßen, die unser Land und die TK-Branche weiterbringen.

            Das in ver.di vor dreißig Jahren diskutierte Betreibermodell ist nicht tot. Aber für einen Betreiber im Mobilfunk, einen Betreiber beim Kabel- und einen Betreiber im Festnetz ist es längst zu spät. Aber die Idee, das Betreibermodell in einem abgegrenzten Segment, zum Beispiel bei den 800er-Frequenzen zu testen, ist interessant, vielleicht sogar vielversprechend! Ein Erfolg ist es aber schon, wenn man bei der Verlängerung von Frequenzlizenzen von den teuren Versteigerungen loskäme.

Quelle: Christoph Heil, ver.di-Bereich Mitbestimmung und Branchenpolitik


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