Bezirksblatt 2015 - 2
Breitbandausbau
Schnelles Netz in der Region? Fehlanzeige!
Schnelles Internet gilt als sehr wichtiger Standortfaktor. Doch während die Privathaushalte in Baden-Württemberg im Deutschland-Vergleich mit am besten ausgestattet sind, macht die Datenübertragung in manchem Gewerbegebiet schnell schlapp.
Kommunen, Landkreise und die Region setzen auf den Breitbandausbau
Es gibt tatsächlich Statistiken in Europa, in denen Deutschland Letzter ist. Dabei geht es durchaus um Themen von grundsätzlicher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. So erreichen beispielsweise 28 europäische Staaten, die in eine Untersuchung im Auftrag des Verbands Region Stuttgart einbezogen waren, zusammen einen Anteil von Glasfaserkabeln an allen Datenleitungen von knapp sechs Prozent. Deutschland bildet mit 0,64 Prozent das Schlusslicht in der Europäischen Union.
Die Untersuchung ist von Professor Jürgen Anders von der Hochschule Furtwangen vorgenommen worden. Er hat auch das für Unternehmen so wichtige Thema Hochladen von Daten unter die Lupe genommen, und auch dort sieht es düster aus in Deutschland. Nach Angaben des regionalen Wirtschaftsförderers Walter Rogg schaffen nur rund 1,6 Prozent der deutschen Kabel die jetzt schon von vielen Firmen gewünschten 50 Megabit (MBit) pro Sekunde. Zum Vergleich: In Japan sind es 70 Prozent, in Schweden 40 Prozent und sogar in der Türkei mehr als 15 Prozent.
Ein Beispiel aus Stuttgart hat bereits Schlagzeilen gemacht: So musste das Animationsstudio M.A.R.K. 13 seine Daten für Teile des Kinofilms „Die Biene Maja“ auf Festplatten in der Tragetasche vom Animationsbüro in der Theodor-Heuss-Straße zur Zentrale unterhalb der Karlshöhe und weiter mit der S-Bahn zum Höchstleistungsrechenzentrum der Uni Stuttgart in Vaihingen transportieren. Dort wurden aus den programmierten Daten schließlich Bilder von Maja, Willi und Flip, dem Grashüpfer.
Größere Teile eines solchen Films müssen laut M.A.R.K.-13-Geschäftsführer Dominique Schuchmann auch in Glasfaser-Zeiten mit Festplatten transportiert werden. Das Studio an der Theodor-Heuss-Straße verfügte allerdings nur über einen Telefonanschluss von höchstens sechs MBit. „Wenn wir uns mit einem anderen am Film beteiligten Studio in Australien austauschen wollten, mussten wir die Daten erst in die Zentrale bringen, wo wir 50 MBit haben“, sagt Schuchmann – und fügt an: „Im Wettbewerb mit anderen Städten ist das eher lachhaft.“ Das Büro an der Ausgehmeile hat die Firma mit 60 Festangestellten und freien Mitarbeitern mittlerweile wieder zugemacht.
CDU verkennt die Probleme
Sechs MBit pro Sekunde maximal – das ist punktuell in der Innenstadt der Fall und außerhalb allgegenwärtig. Dennoch gilt für die Bundesnetzagentur in Bonn die Region als gut versorgt. Das hat deren Vizepräsident Wilhelm Eschweiler jüngst bei einer Veranstaltung der CDU-Regionalfraktion gesagt. 95 Prozent der Bevölkerung verfügten über eine Übertragungsrate von 30 MBit, rund drei Viertel sogar über 50 MBit und mehr. „Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt hier nur bei 23 Prozent“, so Eschweiler.
Doch das betrifft vor allem die Privathaushalte, deren Telefonkabel die Telekom vielerorts aufrüstet oder die leistungsfähige Fernsehkabel der Unity-Media (frühere Kabel BW) haben. In solchen Leitungen sind allerdings auch nicht immer die Leistungen drin, mit denen sie angepriesen werden. Die Computersatz-Firma Bostext war jahrelang im Gewerbegebiet direkt an der A 8 in Leonberg ansässig. Die verkehrsgünstige Anbindung in der realen Welt passte kein bisschen mit jener in der virtuellen zusammen. „Offiziell hatten wir einen Telefonanschluss mit sechs MBit pro Sekunde“, erinnert sich Geschäftsführer Joachim Schrimm, „weil die Leitung aber stark frequentiert war, wurden uns nur zwei MBit zugestanden. Ein Techniker stellte dann fest, dass sogar nur 1,2 ankamen, weil wir so weit weg von der Verteilerstation lagen.“ Wohlgemerkt, alles beim Herunterladen. „Beim Hochladen bekam man oft das Gefühl, man kann jedes Bit per Handschlag verabschieden“, sagt Schrimm.
Beispiel Auktionskatalog: Bei dem Auftrag eines Auktionshauses in Pforzheim ging es um Daten im Umfang von rund 350 Megabyte, die zu einer Druckerei in Bayern transferiert werden mussten. „Da ist mir so oft die Leitung zusammengebrochen, dass ich zum Schluss mit einem Datenträger nach Hause gefahren bin und das Ganze von meiner Privatleitung hochgeladen habe“, berichtet Schrimm. Zu Hause ist auf dem Lande in Friolzheim (Enzkreis), wo eine 50 MBit- Fernsehleitung liegt. Kurz danach ist Schrimm mit seiner ganzen Firma in das Wohnhaus umgezogen. Das war nicht in der Computer-Steinzeit, sondern vor zwei Jahren. Die Aufrüstung der Kupferleitung in Leonberg im November 2013 auf 16 bis 25 MBit kam zu spät für Bostext.
Deutschland will aufholen
Um Fälle wie diesen zu vermeiden, setzen Kommunen, Landkreise und die Region auf den Breitbandausbau. Obwohl im ländlichen Raum auch der Mobilfunk als Ausweg aus dem Daten-Desaster zumindest beim Herunterladen gilt, heißt das Zauberwort für Firmen Glasfaser. „Eine solche Anbindung wäre für uns das Optimum“, sagt Dominique Schuchmann von M.A.R.K. 13. Die herkömmlichen Kupferkabel vor allem der Telefonnetze können nach Angaben der Telekom zwar auf bis zu 100 MBit beim Herunterladen und 40 MBit beim Hochladen aufgerüstet werden, doch den rasant steigenden Anforderungen an den Datenaustausch werden sie schon in ein paar Jahren nicht mehr gerecht: „Das schaffen nur Glasfaserkabel“, die 1000- bis 10 000-mal so gut sind“, sagt Professor Anders.
Deren Verbreitung wollen Wirtschaftsförderung und Verband Region Stuttgart zusammen mit der Landeshauptstadt und den umliegenden Landkreisen unterstützen. Die Planung soll 2016 vorliegen und Fördermillionen aus Berlin und Stuttgart auch in den Ballungsraum lenken für das Rückgrat des Glasfasernetzes, von dem sich Kommunen und Partnerfirmen örtliche Leitungen abzweigen. Mittelfristig soll Deutschland zu Schweden oder der Türkei aufschließen.
Hintergrund
Breitband-Offensive 4.0
Die Landesregierung in Baden-Württemberg hat seine Breitbandrichtlinie mit dem Ziel überarbeitet, die Fördermöglichkeiten für das schnelle Internet deutlich zu verstärken und zu erweitern.
Die Europäische Union hat die vom Land vorgelegten Förderrichtlinien im Juli diesen Jahres genehmigt.
Die Förderpauschalen des Landes erhöhen sich, die zur Verfügung stehenden Mittel werden versechsfacht. Bis 2018 stehen 250 Millionen Euro zur Verfügung, die Fachabteilung erhält sieben neue Stellen.
Die Umsetzung wird erleichtert: Das Antragswesen soll vereinfacht werden, es gibt neben der Förderung von Planungen künftig auch Fördergeld für Baumaßnahmen. Laut Alexander Bonde, Minister für ländlichen Raum und Verbraucherschutz, entlaste das Land die Kommunen damit. Der Anschluss von Schulen, Gewerbegebieten und der Ausbau überörtlicher Netze sind bis zu 90 Prozent förderfähig.
Quelle: Stuttgarter-Nachrichten.de, Ein Beitrag von Alexander Ikrat