Ruhestand nur mit ehrenamtlichem Engagement
Beamte von Post, Telekom und Postbank: Ruhestand nur mit ehrenamtlichem Engagement
Ein Bericht im General-Anzeiger vom 27.11.2020 von Claudia Mahnke
Bonn. Beamte von Post, Telekom und Postbank können seit 2018 nur in den vorzeitigen Ruhestand gehen, wenn sie sich im Anschluss ehrenamtlich engagieren und das auch nachweisen. Manchem geht in der neuen Tätigkeit regelrecht das Herz auf, wie ein Bonner aus eigener Erfahrung erzählt.
Rüdiger Servos war bei der Postbank ein Mann der ersten Stunde. 30 Jahre lang hat der Beamte für die Bonner Zentrale der Postbank gearbeitet, die als eine der drei Nachfolgeunternehmen aus der Privatisierung der Deutschen Bundespost hervorging. Seit Mitte August macht er seinen Bundesfreiwilligendienst im Bonner Kirchenpavillon. Der 62-jährige mit Wohnsitzen in Bonn und Bergheim ist im engagierten Ruhestand.
Beamtinnen und Beamten der Postnachfolgeunternehmen Deutsche Post, Postbank und Telekom haben durch die gesetzliche Regelung die Möglichkeit, ab 55 Jahren in Ruhestand zu gehen. Voraussetzung seit 2018: Die Beamten müssen einen zwölfmonatigen Bundesfreiwilligendienst absolvieren, eine gemeinnützige Tätigkeit im Umfang von 1000 Stunden verrichten oder einen Familienangehörigen pflegen. Innerhalb von drei Jahren nach der Versetzung in den Ruhestand muss das nachgewiesen werden. Die Regelungen sind für Unternehmen und Beamte freiwillig. Die Unternehmen legen fest, ob und in welchem Umfang sie den engagierten Ruhestand nutzen. Den Versorgungsabschlag, der durch den vorzeitigen Ruhestand entsteht, tragen die Postnachfolgeunternehmen. Das Gesetz sieht vor, dass Beamtinnen und Beamte im sogenannten Überhang beschäftigt sein müssen. Das bedeutet, dass sie nicht mehr auf einem Regelarbeitsplatz tätig sind.
Nachdem es in der ersten Zeit für die ausscheidenden Beamten oft schwierig war, ein Einsatzfeld für die ehrenamtliche Tätigkeit zu finden, ist ihre Hilfe mittlerweile gefragt. Das zeigen zahlreiche Ausschreibungen im Internet: Die Malteser suchen gerade in Bonn Beamtinnen und Beamte im engagierten Ruhestand für die Erste- Hilfe-Ausbildung und den Hausnotruf. Die Diakonie sucht Kräfte für Kindertagesstätten in der Region und die Suchtprävention. Auch der TuS Oberkassel bietet Einsatzmöglichkeiten, um den engagierten Ruhestand im Bonner Sportverein zu absolvieren: „Dabei ist es egal, ob du dich als Übungsleiter in unseren Breitensport- Angeboten betätigst oder zusammen mit dem Vorstand den Breitensport-Verein attraktiv gestaltest“, heißt es auf der Homepage des Vereins.
Diakonie zieht positive Bilanz
Bis Oktober 2020 haben mehr als 50 Beamte aus Postnachfolgeunternehmen in Einrichtungen der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) einen Bundesfreiwilligendienst geleistet oder begonnen – eine Erfolgsgeschichte für alle Beteiligten. „Wir sind sehr glücklich über das Engagement, das die jungen Ruheständler im Freiwilligendienst zeigen. Mit ihrer Lebenserfahrung und ihren vielfältigen Kompetenzen bringen sie frischen Wind in die Arbeit der Einsatzstellen“, sagt Mathias Schmitten, Leiter des Zentrums für Freiwilligendienste bei der Diakonie RWL. Einige der Freiwilligen seien so engagiert, dass sie nach dem Ende ihres Dienstes sogar weitermachen. Der Bundesfreiwilligendienst sei ein besonders verbindlicher und klar geregelter Rahmen für die Ruhestandsregelungen. Zugleich biete er beste Startchancen für ein langfristiges ehrenamtliches oder auch vergütetes Engagement in sozialen Einrichtungen.
Rüdiger Servos ist genauso strategisch, wie er als Jurist im Job war, bei der Suche nach seiner Einsatzmöglichkeit vorgegangen: Er hat im Internet ausführlich nach möglichen Einsatzfeldern gesucht. Nachdem er seine Präferenzen festgelegt hatte, nahm er Kontakt zu den Institutionen auf und schrieb Bewerbungen. „Ich konnte zwischen mehreren Angeboten wählen“, sagt Servos, der sich bei der Postbank lange mit Fragen der Konzernsicherheit beschäftigt hat und stellvertretender Abteilungsleiter war.
Situationen, in denen ihm das Herz aufgeht
Für den Kirchenpavillon habe er sich entschieden, weil ihm das Konzept der evangelischen Kirche gefalle, mit dem Bistro in der Innenstadt ein offenes Angebot zum Gespräch zu machen. Servos kümmert sich um Verwaltungsfragen und hilft bei der Sozialberatung mit. „Ich fühle mich sehr wohl“, sagt er. Es sei die richtige Entscheidung gewesen, im Sommer bei der Postbank auszuscheiden: „Es gab dort einen freundlichen, aber sehr harten Druck in den vergangenen Jahren“, so der 62-jährige. Jetzt erlebe er Situationen, in denen ihm das Herz aufgehe, weil er beispielsweise einer älteren Dame mit ihren Formularen auf Mietkostenzuschuss helfen konnte.
Von politischer Seite aus wurde der engagierte Ruhestand für die Beamten aus den Postnachfolgeunternehmen nie groß thematisiert. Zu groß war wohl die Befürchtung, dass andere Beamte diese Sonderregelung kritisieren würden.
Keine Kosten für den Staat
Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagt auf Anfrage, in den Jahren 2018 und 2019 hätten rund 5400 Beamtinnen und Beamte der Postnachfolgeunternehmen die Möglichkeit in Anspruch genommen. „Eine Verlängerung der Regelung wird befürwortet“, sagt sie. Die Regelung sei für den Bundeshaushalt kostenneutral. Der Ausgleichsbetrag zum Ruhegehalt in Höhe des Versorgungsabschlags werde von den Postnachfolgeunternehmen finanziert.
Die Telekom nutzt den engagierten Ruhestand besonders stark: „Es ist ein Instrument, das für uns große Bedeutung hat“, sagt Telekom-Personalvorständin Birgit Bohle. Insgesamt seien in den vergangenen 15 Jahren 34.500 Beamte vorzeitig in den Ruhestand gegangen, rund 4700 davon ab 2017 über den engagierten Ruhestand. Finanzvorstand Christian Illek erläuterte auf der Hauptversammlung, dass die Telekom sich bei ihrer Gründung verpflichtet habe, für amtsangemessene Beschäftigung der Beamten zu sorgen. Da das nicht immer in der bisherigen Geschäftseinheit funktioniere, sei schon 2004 Vivento Customer Services GmbH als interne Qualifizierungs- und Vermittlungseinheit gegründet worden. Seit 2006 gebe es außerdem die Möglichkeit des gesetzlichen Vorruhestands bei den Beamten. 8,9 Milliarden Euro habe das Unternehmen bisher dafür aufgewendet. Jetzt seien nur noch 12.200 Beamte im Konzern tätig.
Rechtzeitige Verlängerung wahrscheinlich
Die Regelungen zum engagierten Ruhestand, die ursprünglich Ende 2020 auslaufen würden, sollen bis Ende 2024 verlängert werden. Dem hat der Bundestag bereits in erste und zweiter Lesung zugestimmt. Die Gewerkschaft DPVkom geht davon aus, dass der Bundesrat dem ebenfalls zustimmt und eine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt noch in diesem Jahr möglich ist. Damit könnte die bis zum Ende dieses Jahres bestehende Regelung noch rechtzeitig verlängert werden.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wertet es als positiv, dass die verbeamteten Beschäftigten weiterhin eine soziale Perspektive für einen vorzeitigen Ausstieg haben. Künftig soll auch ein Einsatz der Beamten der Postnachfolgeunternehmen bei den Gesundheitsämtern zur Nachverfolgung von Corona-Infektionen möglich sein, heißt es bei der DPVkom.
Rüdiger Servos würde sich jederzeit wieder für den engagierten Ruhestand entscheiden, sagt er: „Ich habe die Möglichkeit, etwas von meinen Kenntnissen einzubringen, und fühle mich sehr wohl.“
Hindernisse / Gesetz als Beiboot
Auf dem Weg zur Verlängerung der gesetzlichen Grundlage für den engagierten Ruhestand gab es Hindernisse. Die Regelung passiert den Bundestag quasi als Beiboot. Es gibt ein Trägergesetz, an das die Regelung angehängt wird. Zunächst war die Verlängerung der gesetzlichen Regelung zum engagierten Ruhestand bis Ende 2024 im „Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes" enthalten. Das Gesetz wurde bereits im Februar von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Es fehlte nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, damit die Verlängerung rechtskräftig werden kann.
Doch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Bestimmungen des Zollfahndungs-dienstgesetzes wurde das bereits beschlossene Gesetz an das Parlament zurückverwiesen. Nur wenige Male haben Bundespräsidenten unter Beanspruchung ihres materiellen und formellen Prüfungsrechts die Verkündung beschlossener Gesetze bisher verweigert.
Das Bundesfinanzministerium leitete daraufhin ein neues Gesetzgebungsverfahren mit einem neuen Trägergesetz ein. Der Bundestag hat es am 29.Oktober als „Gesetz zur Modernisierung des Versicherungssteuerrechts und Änderungen dienstrechtlicher Vorschriften“ beschlossen. Jetzt muss noch der Bundesrat zustimmen und es muss vom Bundespräsidenten unterschrieben werden. Es steht für die Bundesratssitzung am 27. November auf der Tagesordnung. Wenn es dann im Bundesgesetzblatt noch in diesem Jahr eingetragen wird, steht weiteren Eintritten in den engagierten Ruhestand 2021 nichts mehr entgegen.