Bezirksblatt 2012-1

Herausgegeben am Freitag, 3. Februar 2012
zuletzt aktualisiert am Montag, 31. August 2020

Besuch des Bezirksverbandes Nordwürttemberg beim Landtag Baden-Württemberg am Freitag, den 27.Januar 2012.

Am Holocaust-Gedenktag, 65 Jahre Befreiung Auschwitz, besuchte der Bezirksverband Nordwürttemberg mit fast 50 Mitgliedern auf Einladung von Innenminister Reinhold Gall den Landtag Baden-Württemberg, mit Sitz in Stuttgart. Nach einem Einführungsfilm über die Arbeit und Funktion des Landtages im Hause der Abgeordneten kam Innenminister Reinhold Gall zu den Gästen.

Mit den Worten “Ich freue mich hier auch bekannte Gesichter zu sehen“ begrüßte der Innenminister, welcher beim Fernmeldeamt in Heilbronn seine Laufbahn begann, die Gäste.
Er ging noch kurz auf die Arbeit des Landtages ein, und sprach die Möglichkeit an, dass alle Bürger das Recht haben jederzeit Petitionen an den Landtag zu stellen, und der Petitionsausschuss mit 23 Mitgliedern der stärkste Ausschuss im Landtag sei.
Er erklärte, dass in Baden-Württemberg quasi Vollbeschäftigung herrsche, und das abgelaufene Jahr, trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise, doch außerordentlich positiv zu bewerten sei. Noch nie war der Exportüberschuss so groß. Staaten die Bankrott gehen können unsere Güter nicht mehr kaufen, der Rettungsschirm ist kein verlorenes Geld. Die Banken wurden gestärkt, was uns bisher kein Geld gekostet hat. Große Sorge macht uns die öffentliche Verschuldung! Es führt kein Weg daran vorbei öffentliche Leistungen zu kürzen, ohne dass es Steuererhöhungen gibt. Als Innenminister des Landes bin ich für ca. 40.000 Mitarbeiter in Städten und Gemeinden verantwortlich. Aktuell beschäftige ich mich mit dem Glücksspielstaatsvertrag und der Polizeireform. Beim Glücksspiel werden Millionen Euro schwarz umgesetzt und viele Bürgen durch illegale Spiele in den Ruin getrieben! Hier haben Städte und Gemeinden derzeit nur die Möglichkeit über die Änderung der Bebauungspläne Spielhallen zu verbieten. Auch wollen wir die Anzahl der aufgestellten Automaten je Lokal reduzieren. Bei den staatlichen Spielkasinos ist eine hohe Kontrolle möglich, im privaten Bereich mangelt es bei den Kontrollen.

In einer Fragerunde wurde auch die neu vorgestellte Polizeireform Baden-Württemberg betrachtet.
Innenminister Gall: Hier sollen durch Umorganisation und Zusammenlegung der 34 Polizei- präsidien und -direktionen auf 12 Standorte mittelfristig 1.000 Polizeibeamte für den Vollzug, also den Streifendienst, freigesetzt werden. Die fünf Standorte der Bereitschaftspolizei sollen auf zwei reduziert werden. Ich will hier nicht sparen, das Geld muss bei der Polizei bleiben. Es sollen nur Strukturen geschaffen werden, mit denen man besser arbeiten kann. Deswegen wurde auch die Zahl der Neueinstellungen von 800 auf 1.200 erhöht. Dies ist im Landeshaushalt schon beschlossen.

Frage eines Gastes: Am Projekt Polizeireform mag ja viel positives angedacht sein, dies kommt bei der Bevölkerung jedoch nicht so an, man sieht nur, es werden Standorte geschlossen.
Innenminister Gall: Hier muss meine Arbeit beobachtet werden, ist sie gut werde ich wiedergewählt. Ich habe alle Fraktionen unterrichtet, alle Polizeichefs unterrichtet, und erst dann die Presse informiert. Die Medien müssen dies sachlich vermitteln. Die Reform wurde ausschließlich von der Polizei geplant. Es war kein Unternehmensberater und kein Ministerialbeamter beteiligt.

Frage eines Gastes: Die Versorgung der Abgeordneten in anderen Bundesländern, z.B. Saarland und Sachsen-Anhalt ist wesentlich besser als hier. Findet da eine Selbstbedienung über den Länder-Finanzausgleich statt?
Innenminister Gall: Mittelfristig muss es hier eine Änderung geben.

Frage zu Stuttgart 21: Hier müssen teilweise unheimliche Aufgebote an Polizeibeamten tätig werden. Wie können diese Demonstranten finanziell belangt werden?

Innenminister Gall: Nur wenn sich jemand den Polizeianordnungen widersetzt kann eine Strafe von 80,- € verhängt werden, ansonsten gilt das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit.

Frage eines Gastes: Sie setzten auf das Berufsbeamtentum, ganz im Gegensatz zu unserem Arbeitgeber der Telekom AG?
Innenminister Gall: Ich denke nicht im Traum daran die Polizei nicht zu verbeamten. Zurzeit gibt es keinerlei Respekt in weiten Teilen der Bevölkerung vor den Beamten.

Frage eines Gastes: Hat das Land Rücklagen für die Beamtenpensionen gebildet?
Innenminister Gall: Dies geschieht erst seit 4 bis 5 Jahren. Hier ist noch nicht viel zusammengekommen.

Frage eines Gastes zum Thema Atomausstieg: Die Stromkonzerne haben viel Geld mit dem Atomstrom verdient. Der nun nötige Netzauf- und -umbau soll jedoch auf Kosten der Endverbraucher realisiert werden. Ist Baden-Württemberg ein Standort für ein Atomendlager?
Innenminister Gall: Unser Ministerpräsident hat keine feste Zusage für einen Standort gemacht. Ich persönlich halte Salzstöcke für keine gute Lösung, ebenso wie Gips. Ich glaube, dass es bei uns in Baden-Württemberg keinen geeigneten Standort für ein Atomendlager gibt.

Nach der Diskussionsrunde, in der auch noch der Rechtsextremismus und seine Auswüchse angesprochen wurden, sowie über das Bahnprojekt Stuttgart-21 gesprochen wurde, führte Innenminister Gall die Gäste durch den Verbindungstunnel vom Abgeordnetenhaus zum Landtagsgebäude, welches 1961 eingeweiht wurde.

Bei der Büste von Eugen Bolz erklärte Innenminister Gall dass es früher nicht so leicht war mit Leib und Seele Politiker zu sein. Als Mitglied der Zentrumspartei gehörte Bolz von 1912 bis 1918 dem Reichstag an, danach bis 1923 war er Abgeordneter in der Weimarer Republik.
1919 wurde Bolz Justizminister in Baden-Württemberg, 1923 Innenminister. Von den Nationalsozialisten wurde er 1933 aus dem Amt gedrängt und schloss sich Anfang 1942 dem Widerstand an. Bolz wurde am 12. August 1944 verhaftet, am 21.Dezember vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 in Plötzensee enthauptet.

Im Plenarsaal des Landtaggebäudes verabschiedete sich der Innenminister von seinen Gästen.

Die Mitglieder des Bezirksverbandes Nordwürttemberg mit Innenminister Reinhold Gall im Plenarsaal des Landtages.